25. Juli 2023

Neue Forschungsgruppe „Space Division Multiplexing“ für effiziente Digitalisierung

25. Juli 2023

Die im Rahmen des Förderprogramms „Fraunhofer Attract“ neu entstandene Forschungsgruppe „Space Division Multiplexing“ (SDM) hat ihre Arbeit aufgenommen. „Fraunhofer Attract“ bietet externen Forschenden die Möglichkeit, ihre Ideen innerhalb eines Fraunhofer-Instituts marktnah zur Anwendung voranzutreiben. In der Abteilung „Photonische Netze und Systeme“ (PN) des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) arbeitet die SDM-Gruppe daran, die Datenraten in glasfaseroptischen Netzwerken zu erhöhen. Die Gruppe wurde im April 2023 gegründet und wird mit einer Laufzeit von 5 Jahren mit 2,5 Mio. Euro gefördert.

Glasfasernetze bilden die Grundlage der modernen globalen Kommunikationsinfrastruktur. Bereits seit einigen Jahren steigen die Datenmengen in diesen Netzen exponentiell an. Konventionelle Glasfaserübertragungssysteme verwenden Singlemode-Fasern, die aufgrund ihrer nichtlinearen Eigenschaften auf diese Wachstumssteigerung nicht ausgelegt sind. Dies hat zur Entwicklung mehrerer neuartiger optischer Fasern geführt, deren Kapazität durch räumliche Parallelität drastisch erhöht wird. Diese als Raummultiplexing oder „Space Division Multiplexing“ (SDM) bezeichnete Technologie hat bisher eine Erhöhung der Datenraten pro Faser um den Faktor 100 demonstriert.

Um einen kommerziell erfolgreichen Einsatz dieser Technologie in zukünftiger Infrastruktur zu gewährleisten, muss ein gesamtes SDM-Ökosystem entwickelt werden. Darauf zielt die neu gegründete Gruppe „Space Division Multiplexing“ ab. In dem von ihr durchgeführten Projekt SpaceCOMM (Space-Division Multiplexing for classical and quantum optical fiber communications) wollen die Forschenden praktische Anwendungsfälle für SDM-Technologie untersuchen. Dabei arbeiten sie eng mit Forschenden anderer Gruppen und Abteilungen des Fraunhofer HHI zusammen, um vier Schlüsselziele der Effizienzsteigerung zu verfolgen.

Das erste Ziel ist die digitale Signalverarbeitung mit mehreren Eingängen und mehreren Ausgängen in Echtzeit. Um die Effizienz von räumlich begrenzten Glasfaserkabeln zu steigern, untersuchen die Forschenden Digital Signal Processing- (DSP) Funktionen in Mehrkern-Glasfasern. Dabei kann jeder einzelne Faserkern zur Signalübertragung genutzt werden, sodass unterschiedliche Signale zeitgleich durch ein Kabel übermittelt werden. So kann die Anzahl an Fasern erheblich reduziert werden. Echtzeit- und Hochgeschwindigkeits-DSP-Funktionen tragen dazu bei, mehrere räumliche Kanäle widerherzustellen, die während der Übertragung in einer gekoppelten SDM-Faser gemischt wurden.

Die herkömmliche Übertragung über Glasfaser beinhaltet das Senden von Daten von einem Sender an einen Empfänger. In SpaceCOMM untersuchen die Forschenden sog. Transceiver-Chips, welche mehrere Sender- als auch Empfängermodule aufweisen und somit parallele Datenübertragung möglich machen. Dadurch können Daten energiesparender und kostengünstiger übertragen werden. Das zweite Ziel ist daher die Entwicklung von Transceiver-Bausteinen, die für die SDM-Übertragung optimiert sind und räumliche Multiplexing-Funktionen enthalten, um die Transceiver direkt mit der neuen SDM-Faser zu verbinden.

Das dritte Ziel ist die Untersuchung energieeffizienter optischer Verstärker für SDM. Da Glasfaserübertragungen nicht ohne Leistungsverluste möglich sind, werden alle 50-100 km erbiumdotierte Faserverstärker (EDFAs) an den Leitungen angebracht. Aufgrund des Absorptionsspektrums von EDFAs können verschiedene Wellenlängenkanäle unterschiedliche Verstärkungen erzielen. Die Forschenden wollen anhand ihrer Untersuchungen das bestmögliche Verhältnis von erforderlicher elektrischer Leistung und erreichbarer Verstärkung von EDFAs finden. Derartige Überlegungen zur Energieeffizienz sind besonders wichtig bei Unterseekabeln, deren Kapazität in der Regel durch die elektrische Leistung begrenzt ist, die von der Küste geliefert werden kann.

Bei vollem Erfolg werden die Ziele 1 bis 3 zu einem Systemdemonstrator eines gekoppelten SDM-Übertragungssystems kombiniert. Bei diesem sollen voll integrierte SDM-Sende-Empfangs-Einheiten und EDFAs mit geringer Bandbreite zum Einsatz kommen.

Als viertes Ziel soll die Nutzung von SDM-Fasern für die Quantenschlüsselübertragung (Quantum Key Distribution, QKD) untersucht werden. Bei diesen speziellen Datentransfers können keine Faserverstärker eingesetzt werden, daher ist die Übertragungsdistanz der herkömmlichen QKD-Übertragung durch den Datenverlust der Glasfasern begrenzt. Eine Möglichkeit, sowohl die Übertragungsrate als auch die -distanz zu erhöhen, ist der Einsatz hochdimensionaler Quantenschlüssel. Neuartige SDM-Fasern haben das Potenzial, solche hochdimensionalen Quantenschlüssel zu implementieren.

„Beim derzeitigen Stromverbrauch des Internets müssen wir neue Ansätze finden, um die Effizienz unserer Infrastruktur zu erhöhen, so dass wir Energie und Kosten einsparen können. „Fraunhofer Attract“ ermöglicht uns, die aktuellen Forschungserkenntnisse im Bereich Space Division Multiplexing näher an die Marktreife zu bringen. Darüber hinaus stärken wir mit unserer Forschung Deutschland als Standort für Optische Kommunikation: Die SDM-Technologie ist so disruptiv, dass ihre Implementierung viele Innovationen hervorbringen wird“, so Prof. Dr.-Ing. Georg Rademacher, der die neu gegründete SDM-Gruppe am Fraunhofer HHI leiten wird.

Prof. Rademacher hat sich intensiv mit SDM-Technologien befasst und mehrere sehr erfolgreiche Projekte durchgeführt, die zu Durchbrüchen bei der Erforschung optischer Übertragungssysteme mit hoher Kapazität geführt haben. Zeitgleich mit dem Projektstart hat er eine Stelle als Professor und Institutsdirektor am Institut für Elektrische und Optische Nachrichtentechnik an der Universität Stuttgart angetreten.